Eine letzte Chance für EUSJA

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

üblicherweise verschone ich euch ja mit längeren Texten, aber ich meine, dass der Anlaß die Ausführlichkeit rechtfertigt.

Vor zwei Jahren wurde ich in den Vorstand des Dachverbands europäischer Vereinigungen von WissenschaftsjournalistInnen (European Union of Science Journalists’ Associations, kurz EUSJA) gewählt. Die EUSJA befand sich nach einer Serie von problematischen Entscheidung damals in einer schweren Krise. Ein Beitrag zur Lösung dieser Krise war die Neufassung der Statuten. Da wir im österreichischen Verband kurz zuvor eine derartige Diskussion geführt und mit der Verabschiedung neuer Statuten abgeschlossen hatten, waren die KollegInnen der europäischen Verbände der Ansicht, ich wäre dazu befähigt, einen Entwurf für das europäische Forum zu verfassen. Ich freue mich euch mitteilen zu können, dass wir bei der jährlichen Generalversammlung am 24. März 2018 in Madrid nun die neuen Statuten verabschiedet haben. Damit endet auch meine Funktion im Vorstand der EUSJA.

Die zwei zentralen Erneuerung betreffen a) die Lösung vom Prinzip der nationalen Repräsentanz und b) den Wechsel vom repräsentativen Stimmrecht zum proportionalen Stimmrecht.

Ganz kurz erläutert: a) bedeutet, dass eine Vereinigung in der EUSJA nicht mehr unbedingt ein Land repräsentieren muß, sondern eine bestimmte Berufsgruppe (zB WissenschaftskommunikatorInnen) oder auch einen regionalen bzw internationalen Verband vertreten kann. An drei Beispielen erklärt: Bislang “teilten” sich die beiden deutschen Verbände der WissenschaftsjournalistInnen (WPK) und der KommunikatorInnen (TELI) eine Stimme. In Spanien wiederum sind die Kolleginnen in einem zentralspanischen und in einem katalanischem Verband organisiert. Weiters in Planung ist eine Vereinigung von WissenschaftsjournalistInnen aus mehreren Balkan-Ländern, die lieber gemeinsam als einsam agieren wollen, also lieber einen Dachverband als in jedem Land einen schwachen Verein etablieren wollen. All diese Verbände können in Zukunft Mitglieder der EUSJA werden.

b) bedeutet, dass jede Vereinigung proportional zu der Anzahl ihrer Mitglieder eine, zwei oder maximal drei Stimmen erhält. Der österreichische Verein ist mit zwei Stimmen eine “Mittelmacht”. Um eine Konzentration von Stimmen in einem Land zu verhindern, wird die Anzahl mit sechs Stimmen pro Nation gedeckelt. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Lösung eher um einen symbolischen Akt, weil der allergrößte Teil der Entscheidungen ohnehin einstimmig getroffen wird. Allerdings wurde das Mißverhältnis zwischen nationalen Vereinigungen mit bloß einer Handvoll Mitglieder und mehreren Hundert Mitgliedern als ungerecht empfunden.

Die Probleme der EUSJA sind damit nicht gelöst. Aber es ist eine Grundlage geschaffen, weil diese neue Verfassung mehreren großen (und damit verhältnismäßig zahlungskräftigen) Verbänden, die ihre Mitgliedschaft ruhend gestellt hatten, die Möglichkeit eröffnet, sich wieder aktiv an der EUSJA zu beteiligen.

Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, war es nicht sehr einfach die Positionen von sehr kleinen, oft mittel- und osteuropäischen Verbänden und sehr großen, oft westeuropäischen Verbänden auszugleichen und in einen funktionsfähigen Kompromiss zu formen. Missen möchte ich die Erfahrung aber nicht. In einem Abschiedsbrief habe ich die Diskussion, die Beschlüsse und die Perspektiven zusammengefasst. Nachdem die gröbsten Probleme angegangen wurden und eine neue Verfassung verabschiedet wurde, stehen die Chancen auf einen Neubeginn der EUSJA auf jeden Fall besser als vor zwei Jahren. Und wer, wenn nicht WissenschaftsjournalistInnen sollten beweisen können, dass eine der Vernunft und Aufklärung verpflichtete, europäische Vereinigung a) gerade in Zeiten wie diesen sich reformieren kann und b) nötiger denn je ist.

Über all das kann ich gerne bei unserer Generalversammlung am 14. Mai, 18.00 Uhr, im Presseclub Concordia, im Detail Auskunft geben und können wir im Detail diskutieren.

Im Anhang findet ihr die neue Verfassung, die mit der demnächst zu vollziehenden Meldung an die französischen Behörden ihre Gültigkeit erlangt. Und meinen, bisweilen etwas emotionalen Abschiedsbrief findet ihr auf meiner Homepage. Aber Vernunft ohne Begeisterung ist bekanntlich wie ein Ball ohne Mitternachtsquadrille.

Mit kollegialen Grüßen
Oliver Lehmann

Vorsitzender des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten
Presseclub Concordia • Bankgasse 8 • 1010 Wien
www.wissenschaftsjournalisten.at

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