22.9.2014: Verleihung der Staatspreise

Am Montag, den 22.9.2014, wurden Andreas Novak (ORF), Karin Krichmayr (Der Standard) und Verena Ahne (freie Autorin) von Vizekanzler und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner mit den Staatspreisen für Wissenschaftspublizistik ausgezeichnet. Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten gratuliert allen PreisträgerInnen, insbesondere den Klubmitgliedern Karin Krichmayr für den Förderpreis und Verena Ahne für den Sonderpreis für wissenschaftsjournalistische Vielfalt.

Gern hätte der Klubvorstand den PreisträgerInnen unmittelbar anläßlich der Verleihung gratuliert. Doch auf Grund der nicht nachvollziehbaren Zusammenstellung der Gästeliste durch die zuständige Abteilung des Wissenschaftsministeriums wurde darauf verzichtet, den journalistischen Interessenverband von dem Termin zu informieren. (Siehe dazu die Ergänzung vom 25.9.2014 „ Stellungnahme zur Staatspreisverleihung„)

Verena Ahne hat die Verleihung zum Anlass genommen, die Arbeitsverhältnisse der sogenannten freien JournalistInnen zu thematisieren. Hier Ahnes Rede in vollem Wortlaut:

„Rede anlässlich der Verleihung des ‚Sonderpreises zur Unterstützung der wissenschaftsjournalistischen Vielfalt‘

Ich bin freie Journalistin.
Ich bin es leidenschaftlich gern.
Und als freie Journalistin freue ich mich heute ganz besonders über diese Auszeichnung. Denn es ist das erste Mal, dass jemand ohne einreichende Redaktion im Rücken bei diesem Staatspreis überhaupt berücksichtigt werden konnte.
Und das ist gut so.
Ich mein jetzt nicht gut, weil ICH den Preis kriege – das ist auch gut, für mich, und ich freu mich auch wirklich darüber.
Es ist gut, weil es endlich die Medienrealität widerspiegelt.
Und die lautet: Ein erheblicher Anteil aller journalistischen Arbeiten, die gedruckt oder gesendet werden, stammt inzwischen von Freien.
Ich habe am Wochenende ein bisschen gebastelt:
Das hier sind die Wissenschafts- und Forschungsseiten einer großen österreichischen Tageszeitung, die seit Sommer immer am Samstag erscheint. Ich habe alle Artikel weiß abgeklebt, die von Freien stammen (die dunkleren sind übernommene Agenturmeldungen).

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Sie sehen, diese acht Seiten sähen ganz schön leer aus ohne die Arbeit von Freien.
Ein ähnliches Bild ergäbe sich mittlerweile wahrscheinlich in den meisten Redaktionen. In besonderem Maße gilt das für Wissenschaftsredaktionen.
Umgekehrt proportional zu dieser großen Bedeutung fällt jedoch die Anerkennung aus, die wir für unsere Arbeit erhalten. Ich meine damit nicht verbale Anerkennung, die gibt es durchaus von Zeit zu Zeit. Ich meine auch nicht Preise wie diesen hier.
Ich spreche vom Honorar.

Verena4Für eine Doppelseite wie diese, die ich im Sommer geliefert habe, gibt es ein Honorar von 544 Euro und 32 Cent. Davon muss ich – neben Steuern und Abgaben – meine Bürokosten zahlen. „Unproduktive“ Zeiten abdecken wie Urlaub und Feiertage, Krankenstand und Arztbesuche. Auch die Zeiten, in denen ich nicht sitze und schreibe – und niemand sitzt die ganze Zeit und tippt Artikel. Es müssen neue Themen gesucht und Aufträge hereingebracht werden. Ich muss mit Redaktionen verhandeln. Administratives erledigen. Zu Veranstaltungen gehen. Kontakte pflegen. Usw, usf.

All diese Dinge sollten in einem Honorar enthalten sein.
Sind sie aber nicht. Denn dafür sind die schlicht zu niedrig.
Es bräuchte mindestens 16 Ganzseiter wie die gezeigten pro Monat – und ohne Unterbrechung (geliefert) –, um auf das Einstiegsgehalt eines angestellten Journalisten zu kommen. Das ist schlicht nicht machbar.
Natürlich gibt es auch Medien, die besser zahlen, Magazine zum Beispiel, für die schreibe ich auch immer wieder.
Vor einem Jahr hatte ich von einem großen österreichischen Nachrichtenmagazin den Auftrag für eine Coverstory. Ein Cover, das sind acht bis zehn Seiten. Bei 200 Euro pro Seite sind das zwischen 1600 und 2000 Euro (vor Steuern und Abgaben natürlich).
Nur kam dann in letzter Sekunde eine andere wichtige Geschichte herein, die aufs Cover musste – das ist Medienrealität, das ist klar und muss auch so sein: Medien müssen aktuell sein. Aber es gab dann keine Ersatzgeschichte für die Wissenschaftsseiten hinten im Blatt. Also musste ich meinen fertigen Zehn-Seiten-Text wieder auf fast die Hälfte zurückschrumpfen.
Als Angestellte hätte ich mich jetzt wahrscheinlich ein bissl geärgert, dass meine Arbeit für die Fisch‘ war. Bei Freien aber nagt so etwas an der Existenzgrundlage.
Für mich hat es konkret bedeutet, weitere Zeit zu investieren, um mein Honorar aktiv selbst zu halbieren. Ich habe schlussendlich für mindestens drei Wochen Arbeit 1000 Euro bekommen. Nachdem wir gerade gehört haben, wie viel davon übrigbleibt, kann man sich vorstellen, zu welchem Jahreseinkommen sich das hochsummiert.
Solche und ähnliche Geschichten können Freie endlos erzählen.

Freie müssen ohne Sicherheit und ohne die Gewissheit auf Verbesserung ihrer Situation – denn immer weniger Leute werden angestellt – ständig auf Hochtouren arbeiten und nehmen immer weniger dafür ein.

Tatsächlich haben sich in den letzten 15 Jahren, seit ich als Journalistin arbeite, die Honorare in vielen Medien massiv reduziert. Sie sind nicht gleich geblieben. Sondern weniger geworden.
Das alles sind Idealbedingungen für ein Burn-Out – das wird Ihnen jeder Mediziner bestätigen. Es sind auch Idealbedingungen für ein Drop Out: Es gibt viele, auch viele sehr gute Leute, die irgendwann entnervt aufgeben.
„Ja, aber“, sagen mir immer wieder Leute, „dann darfst du halt nicht so viel Zeit in deine Arbeit reinstecken!“

Aber Zeit, das wurde heute schon mehrfach erwähnt, ist eine Grundvoraussetzung für Qualitätsjournalismus!

Wir brauchen Zeit für Recherche. Zeit zum Nachfragen. Zum Hinterfragen. Auch zum Aufbereiten: Die so genannte „gute Schreibe“ zum Beispiel, für die ich heute unter anderem ausgezeichnet werde, braucht zum Teil extrem viel Zeit – ich denke, das ist wenigen wirklich bewusst.
Ohne Zeit, glaube ich, ist auf Dauer keine hohe Qualität zu machen. Also brauchen wir neue Rahmenbedingungen, um engagierten JournalistInnen Qualitätsjournalismus auch in Zukunft zu ermöglichen.
Und weil es die Presse offenbar nicht mehr aus eigener Kraft schafft, das zu bezahlen, ist es meiner Meinung nach Sache der Politik, hier einzugreifen.
Warum der Politik?
Weil wir, das Volk, ein Recht haben auf einen guten, unabhängigen, einen unbequemen und aufdeckenden Journalismus! Auch auf einen informativen und spannenden Journalismus – und auch das braucht Zeit: eine Geschichte so aufzubauen, dass sie gut rüberkommt.
Ein solcher Journalismus ist die vierte Kraft im Staat, eine Säule der Demokratie. Wir brauchen ihn. Und wenn er sonst nicht überleben kann, müssen wir ihn fördern.
Eine Möglichkeit wäre, die Presseförderung an Qualitätskriterien zu binden. Diese Forderung stammt nicht von mir, aber ich finde sie sehr sinnvoll. Und – um wieder auf die Freien zurückzukommen – damit darf nicht nur inhaltliche Qualität gemeint sein. Redaktionen müssen auch soziale Qualität garantieren! Das heißt, die, die von draußen zuarbeiten, gerecht behandeln.
Wir Freien verdienen fairen Lohn für unsere gute Arbeit. Ich sage bewusst fair, nicht fürstlich. Ich rede von einem Lohn, der uns ein Auskommen sichert ohne ständige Existenzängste!

Und damit komme ich zum Schluss: Ich danke der Jury, dass sie mir diesen Sonderpreis zuerkannt hat. Vor allem aber: Danke, danke, danke meiner wunderbaren Familie! Ohne euch im Hintergrund hätte ich wahrscheinlich längst das Handtuch geworfen.“

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